Ein Tag auf der Pegasus

Reinhard Wirth

„Etwas über 4 Knoten“, hatte Jan der Kapitän der Pegasus gerufen, nachdem wir den Hafen von Klintholm auf der östlichen Seite der dänischen Insel Møn verlassen hatten. Das Frühstück war mal wieder ausgezeichnet. Heute gab es Eier und Speck. Um zehn Uhr setzten wir die Segel und nahmen erneut Fahrt auf. Die Crew war nach zwei Tagen bereits eingespielt und verstand die Kommandos der Bootsfrau Silke genau. Das Großsegel lag gut vor dem Wind auf der Steuerbordseite. Unser Kurs sollte nach Osten gehen, einmal unten herum um Møn und dann nach Norden zum Klint, die majestätischen Kreidefelsen an der Steilküste. Die Pegasus, ein holländisches Plattbodenschiff mit zwei Masten, schaukelte sanft bei ruhiger See. Während die Backschaft unter Deck die Kombüse klar machte, genossen die Teilnehmer des Herrentörns die Sonne und die klare Brise. Ich saß auf dem Vordeck neben der Winch und sog den gemischten Duft vom Schmierfett der Zahnräder und der würzigen Seeluft in meine Nase. Mit jeder Schwankung knarrte der Mast ein wenig und die Gischt fügte ihr Rauschen hinzu. Hier und da saßen die Männer zusammen und lobten das gute Wetter. Einer reparierte ein abgenutztes Tau-Ende, spleißte ein neues Auge in das Seil und wickelte einen Takling an den Tampen. Gute Voraussetzungen um über die tägliche Bibelandacht von Matthias Meier, Gemeinschaftspastor aus Ratzeburg, nachzusinnen.

Dann kamen wir zu den Kreidefelsen, warfen den Anker und legten die Badeleiter aus. Bei läppischen 19 Grad und 4 Meter Wassertiefe trauten sich immerhin eine Handvoll Männer ins Wasser. An jedem der sieben Tage legten wir uns abhängig von der Windrichtung auf einen Kurs fest und steuerten neue Häfen an. Benahmen uns wie Seeleute und echte Männer. Derbe Sprüche und gute Gespräche fanden ihren Raum. Die Kameradschaft wuchs. Regelmäßig gipfelten die Malzeiten in tägliche Höhepunkte für das allgemeine Wohlbefinden. Wir verstanden, warum der Kapitän sich selbst nicht als den wichtigsten Mann an Bord sah, sondern den Smutje dafür hielt. Oh ja, wir verstanden das und schätzten die raffinierten kulinarischen Kompositionen von Gerd.

Reinhard Wirth

Und dann das große Ereignis – Unfall. Es änderte praktisch alles. Wir merkten, dass nicht nur das Gelingen der Freizeit, sondern im Grunde sogar unser Leben in Gottes Hand liegt. Es traf uns unvermittelt, als wir uns aufmachten die Tour nach dem Ankern fortzusetzen. Die Winch schlug beim Segelsetzen mit der Kurbel zurück genau in dem Moment, als die Bremse gelöst wurde. Bootsfrau Silke wurde am Oberschenkel getroffen und schwer verletzt. Mit Motor zurück nach Klintholm, musste der Krankenwagen das Unfallopfer mitnehmen. Wir beteten zu unserem Herrn und baten um Heilung und Segen für unsere Bootsfrau. Am Abend bekamen wir sie zurück aufs Schiff, doch sie musste still in der Koje liegen. Fortan sprang der Kapitän als Bootsmann ein und übergab das Steuer einem erfahrenen Mannschaftsmitglied, während er auf dem Vorschiff die Kommandos gab.

Der Herrentörn auf See ist etwas ganz Besonderes. Eine Form der Kameradschaft, die entsteht, wenn man die Segel hochwuchtet, den Backschaft-Dienst leistet, den Abend mit einem Bierglas in der Hand an Deck sitzt oder unter Deck beim Spiel „Spekulatius“ miteifert. Hier und da öffnen sich die Männer zu vertrauensvollen Gesprächen. Gibt es Gott? Was hat das mit mir zu tun?

Reinhard Wirth, Gemeinschaft Schleswig